Endspurt – Tag 106 bis Tag 108

Tag 106 – A Fonsagrada bis Vilar de Cas (40,3 km) – Samstag 14.10.2023

Die Nacht im Hotelzimmer war sehr ruhig und somit wachte ich ausgeruht auf. Um 7 stand ich auf und packte alles zusammen. Im Hotel gab es zwar kein Frühstück, aber in der Lobby gab es kostenlosen Kaffee. So ließ ich mir dort noch schnell einen aus der Maschine und trank meinen Kaffee noch im Hotel. Danach machte ich mich noch im Dunkeln auf den Weg.

Anfangs war es nicht nur sehr dunkel, sondern auch sehr neblig. Daher konnte ich nur wenige Meter weit sehen und bekam kaum etwas von der Landschaft mit.

Nach wenigen Minuten kam ich aber an einem Haus vorbei, bei welchem über Lautsprecher klassische Musik abgespielt wurde, was im sonst so stillen Nebel sehr interessant klang. Von der Musik motiviert, lief ich heute in Marschtempo durch die Gegend und legte dadurch schnell einige Kilometer zurück. Da ich auch keine Pausen machte, hatte ich bereits nach kurzer Zeit die ersten 15 km absolviert.

Kurz nach 11 traf ich auf einen Pilger, der tatsächlich genauso schnell unterwegs war wie ich. Wir liefen für fast eine Stunde gemeinsam durch die Gegend und unterhielten uns über verschiedene Sachen. Er war mittlerweile auch schon fast 1000 km unterwegs und war auch sonst viel in der Welt umhergewandert. Nachdem er den Mont Blanc schon zum zweiten Mal bestiegen hatte, plane er aktuell seinen ersten 8000er im Himalaya, was jedoch nicht so einfach sei. Nach knapp einer Stunde legte ich eine kurze Trinkpause ein und jeder von uns ging vorerst wieder seinen eigenen Weg.

Nach 4,5 Stunden erreichte ich dann auch die erste kleinere Stadt, in der ich etwas essen wollte. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich tatsächlich schon fast 25 km absolviert und dabei immerhin über 700 Höhenmeter im Aufstieg und über 1000 im Abstieg absolviert.

Als ich die erstbeste Bar betrat, traf ich dort auch wieder auf den Pilger vom Morgen. Er legte hier nur eine Pause ein und wolle noch bis nach Lugo, was immerhin weitere 30 Kilometer bedeute. Als ich mich zu ihm setze, kamen wir auch noch mit einer anderen Pilgerin ins Gespräch, die ebenfalls noch nach Lugo wollte. Während ich eine Pizza aß, unterhielt ich mich mit ihnen und fand es beeindruckend, dass beide immerhin 53 km laufen wollten. Bevor ich fertig war, liefen aber beide wieder weiter und ich machte mich danach dann alleine auf den Weg.

Auch nach meiner Pause lief ich weiter schnell durch die Gegend und da der Nebel mittlerweile weniger geworden war, konnte ich sogar ein bisschen die Landschaft genießen. Für heute hatte ich eine Unterkunft angepeilt, die noch einige Kilometer entfernt war. Daher ging ich weiter schnellen Schrittes voran und merkte, dass ich mittlerweile doch wieder gesund war.

Nach fast 9 Stunden erreichte ich nach über 40 km auch die herausgesuchte Unterkunft. Dort bekam ich noch einen Platz in der sehr noble wirkenden Unterkunft. Nachdem ich eine Dusche genommen und meine Kleider gewaschen hatte, gesellte ich mich zu ein paar anderen Pilgern, die gerade im Garten saßen und sich unterhielten.

Später saßen wir dann noch alle zusammen beim Abendessen. Heute waren neben mir zwei weitere Deutsche, ein Portugiese, ein Spanier, eine Irin und zwei Italienerinnen in der Unterkunft. Wir unterhielten uns beim sehr leckeren Abendessen und tranken dabei das ein oder andere Glas Wein und später noch ein bisschen Schnaps. Nach einem sehr unterhaltsamen Abend gingen wir zu später Stunde alle schlafen.

Tag 107 – Vilar de Cas bis San Romao (35,9 km) – Sonntag 15.10.2023

Als ich heute Morgen in der Pilgerunterkunft aufstand, waren die meisten anderen bereits auf dem Sprung. Nach einem kurzen Frühstück verließ ich als letzter die Unterkunft, obwohl es draußen noch recht dunkel war.

In den frühen Morgenstunden lief ich anfangs noch im Trockenen durch die Gegend. Bald fing aber der Regen an und es dauerte nicht lange bis ich wirklich nass war. Da ich auch heute aufgrund des Nebels nicht viel sehen konnte und wegen des Regens auch sonst keine Pausen machen wollte, lief ich bis Lugo schnell durch.

Dort erreichte ich dann auch einen weiteren Meilenstein auf meiner Reise. Ab hier hatte ich nur noch 100 Kilometer zu absolvieren.

Ich freute mich sehr, als ich endlich an einem Schild vorbeikam, das weniger als 100 Kilometer anzeigte. Somit hatte ich ab hier nur noch eine zweistellige Anzahl an Kilometern zu absolvieren, was doch ein sehr komisches Gefühl war. Denn einerseits freute ich mich, dass das Ziel langsam in Sicht war und andererseits wollte ich nicht, dass dieser Weg bald zu Ende geht.

Danach schritt ich durch das Tor der Stadtmauer und lief von dort aus zur Kathedrale der Stadt. Ich schaute mir diese von innen an und besichtigte noch das dazugehörige Museum.

Als ich damit fertig war, lief ich zu einer Bar und kaufte mir dort eines dieser leckeren Bocadillos und trank noch einen Espresso. Gestärkt verließ ich die Stadt wieder und lief erneut durch den anhaltenden Regen. Nach einigen weiteren Kilometern ließ der Regen allmählich nach und bald konnte ich sogar ohne meine Regenjacke weiterlaufen.

Da es heute leider mal wieder längere Zeit auf der Straße entlang ging, taten mir nach knapp 30 Kilometern langsam die Füße weh. Aufgrund des Regens, der auch für die Nacht wieder gemeldet war, wollte ich trotz geeigneter Wiesen mein Zelt heute nicht aufschlagen. Die ausgesuchte Unterkunft war auch nicht mehr fern und somit lief ich einfach weiter. Nach 35 km erreichte ich dann mein heutiges Ziel. Dort traf ich direkt auf bekannte Gesichter der letzten Tage. Nach einer Dusche gesellte ich mich zu den anderen und schrieb wie alle Pilger mein Tagebuch.

Später saß ich noch eine Weile mit Christopher, dem Schweizer, der am gleichen Tage wie ich gestartet war, draußen und wir unterhielten uns bei einem Bier über unsere weiteren Pläne. Gegen 8 Uhr kam dann auch der Herbergsvater und wir bekamen endlich das langersehnte Abendessen. Heute saß ich nur mit Leuten am Tisch, die ich bereits von den letzten Tagen kannte und somit entwickelten sich schnell witzige Gespräche. Während wir unser Essen zu uns nahmen, genossen wir unseren Wein und unterhielten uns prächtig. Als der Herbergsvater meinen leeren und schön geputzten Teller sah, bekam ich sogar noch ein zweites Steak als Nachschlag.

Nach unserem gemeinsamen Abendessen ging wir wieder schlafen, um uns für die letzten Etappen auszuruhen.

Tag 108 – San Romao bis Melide (28,5 km) – Montag 16.10.2023

Als ich heute morgen aufstand, waren komischerweise noch alle Pilger da. Gegen 7:30 ging ich hinunter und verspeiste mit ein paar anderen Pilgern ein Frühstück, das aus einem Kaffee und Marmeladenbrot bestand. Anscheinend hatten die zwei letzten längeren Etappen den meisten Pilgern doch zugesetzt und somit war ich heute einer der ersten aus unserer Gruppe, der die Pilgerunterkunft verließ.

Noch im Halbdunkeln lief ich schnellen Schrittes durch den Wald. Als ich einen Pilger überholen wollte, sprach er mich an, ob ich der Deutsche sei, der von zu Hause aus losgelaufen sei. Wie sich dann in den nächsten Minuten herausstellte, war er einen Tag vor mir in Würzburg gestartet. Da er aber einige hundert Kilometer mit dem Fahrrad gefahren sei, habe er mich dann doch irgendwann überholt und mittlerweile habe ich ihn dann zu Fuß eingeholt. Ich lief fast zwei Stunden mit dem jungen Forstwirt, der ein Sabbatical hatte und diese Zeit für deinen Camino nutzen wollte. Er machte mir aber schnell klar, dass er sich bereits sicher sei, dass er danach auch seine Kündigung einreichen wird und weiter reisen wolle. Wir unterhielten uns über unsere bisherigen Erfahrungen und weiteren Pläne. Als er nach zwei sportlichen Stunden dann doch eine Pause brauchte, lief ich wieder ohne ihn weiter.

Nach einigen weiteren Kilometern legte ich an einer Bank eine Pause ein und kochte mir seit langem mal wieder einen Kaffee. Danach ging es für mich im strömenden Regen weiter durch die Hügellandschaft Galiciens.

Als ich in einer Bar am Wegesrand eine kleine Erfrischung zu mir nahm, wurde ich erneut angesprochen, ob ich der sei, der von zu Hause aus gestartet ist und als im Zelt schlafen würde. Anscheinend hatte es sich bei den Leuten hier schon herumgesprochen und somit kam ich immer schnell mit den Leuten ins Gespräch. Also beantwortete ich auch ihnen wieder ihre Fragen und dadurch wurde auch diese Pause länger als geplant. Immerhin hatte ich danach nicht mehr lange zu laufen.

An jedem Wegstein, an dem ich danach vorbeikam, nahm die noch zu bewältigenden Kilometerzahl weiter ab. Mittlerweile war es fast eine beängstigend niedrige Anzahl an Kilometern, die ich bis Santiago noch zu absolvieren hatte. Als ich Mittags an meinem heutigen Etappenziel ankam, waren es nur noch ca. 53 km. Durch die mittlerweile sehr geringe Anzahl, fühlte sich das Laufen heute eher wie ein Auslaufen für mich an. So wie die anderen Pilger wurde auch ich mir langsam bewusst, dass ich vorraussichtlich in zwei Tagen in Santiago ankommen und somit mein lang ersehntes Ziel erreichen werde. Irgendwie fühlte es sich für mich aber surreal an, dass meine Reise bald zu Ende sein sollte und umso näher ich Santiago kam, desto komischer wurde das Gefühl. Einerseits freute ich mich nach einer so langen Zeit bald an meinem Ziel anzukommen, andererseits wollte ich nicht, dass die Reise zu Ende geht. Mit gemischten Gefühlen lief ich also weiter durch den Regen.

Als ich dann nach einer weiteren Stunde und bei strömenden Regen endlich in Melida ankam, traf ich direkt sehr viele Pilger an und merkte, dass ich ab hier auf den bekanntesten Pilgerweg, den Frances, wechseln werde. Ab sofort war es also vorbei mit dem einsamen Wandern in der Natur und schnell fand ich mich in großen Menschenmassen wieder. Ich lief zu einer Pilgerunterkunft und reservierte mir dort einen Platz. Nach einer ausgiebigen Dusche legte ich noch ein kurzes Nickerchen ein und unterhielt mich dann ein bisschen mit anderen Pilgern.

Am Abend ging ich dann noch in einem nahegelegenen Restaurant essen, welches immerhin nicht erst um 8 Uhr Essen anbot. Nach einem langen Tag hatte ich mittlerweile richtig Hunger und somit schmeckte das galizische Pulpo besonders gut.

Nach dem leckeren Essen kehrte ich in die Pilgerunterkunft zurück, unterhielt mich noch eine bisschen mit anderen Pilgern. Zuerst mit einer Gruppe von Südkoreanern und dann mit einer jungen Frau aus der Gegend, die in der Nähe von Finisterre, als knapp eine Autostunde hinter Santiago wohnt. Anstelle von zu Hause aus zu laufen, läuft sie also quasi heim. Da ich morgen wieder eine etwas längere Strecke vor mir habe, verabschiedete ich mich gegen halb 10 und ging dann auch schon wieder ins Bett zum Schlafen.

Comments

4 Antworten zu „Endspurt – Tag 106 bis Tag 108“

  1. Avatar von WanderFan42
    WanderFan42

    Ahoi,

    das ist ja dann wahrscheinlich der vorletzte Blog Artikel zum Jakobsweg. 😱

    MFG
    Nils

    1. Avatar von f.hoehn

      Abend,

      Eventuell kommen noch ein/zwei Artikel 😉
      Aber das „Ende“ ist in Sicht.

      Gruß Flo

  2. Avatar von Dommi
    Dommi

    Nice das du schon voll die berühmtheit bei den Pilgern geworden bist 😊

    1. Avatar von f.hoehn

      Hi Dominik,

      Ja das ist schon ganz witzig. Habe mich für fünf Minuten fast fame gefühlt 😎. Aber danach hat es auch schnell wieder aufgehört 😂

      Gruß Flo

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