Tag 109 – Melida bis O Pedrouzo (35,3 km) – Dienstag 17.10.2023
Im großen Schlafsaal hatte ich ganz gut geschlafen und stand wieder um halb 8 auf. In der Küche der Unterkunft frühstückte ich noch mit ein paar anderen Pilgern. Nach einem kleinen Müsli und einem Kaffee machte ich mich dann auf den Weg.
Ich lief auch heute wieder durch die Hügellandschaften Galiziens. Zu Beginn war das Wetter noch recht gut und somit kam ich gut voran. Als ich nach knapp 14 km an einem Café vorbeikam und eine Pilgerin zu mir meinte, der Kaffee darin sei echt gut, legte ich hier eine Pause ein. Während ich ein belegtes Brötchen aß und meinen Kaffee trank, unterhielt ich mich mit anderen Pilgern, die hier auch gerade Pause machten.






An die vielen Pilger auf dem weiteren Weg musste ich mich erst noch gewöhnen. Immer wieder musste ich an Leuten vorbei und quasi im Minutentakt grüßte ich die anderen Leute mit „Buen Camino“. Auffällig waren dabei die vielen Gruppen von Koreaner, die ich erst antraf, seit ich auf dem Frances unterwegs war.
Zur Mittagszeit suchte ich eine Bar, um dort eine Kleinigkeit zu essen. Leider kam ich nur an wenigen Ortschaften vorbei und die ersten drei Bars hatten alle bereits zu, was mich um 13 Uhr dann doch verwunderte. In der vierten Bar hatte ich dann mehr Glück und kaufte mir dort einen Burger. Nach der kleinen Stärkung setze ich meine Wanderung wieder fort. Obwohl ich heute lange unterwegs war, passierte eigentlich nicht viel. Da es mittlerweile auch wieder angefangen hatte zu regnen, konnte ich wenig von der Landschaft sehen und machte daher auch kaum Pausen.




Nach über 35 km erreichte ich dann mein heutiges Etappenziel. Im Ort kam ich noch an einer Wegmarkierung vorbei, die mir verdeutlichte, dass es ab hier weniger als 20 km bis nach Santiago waren. Da es mittlerweile sehr stark regnete, ging ich in eine Bar, bestellte mir etwas zum Trinken und schaute dort nach einer Unterkunft für den Abend. Dabei kam ich mit einem älteren Ehepaar aus den USA ins Gespräch. Beide waren anscheinend schon viel in der Welt herumgekommen. Die Frau sei letztes Jahr knapp 2600 km auf dem Appalachen Trail in den USA gelaufen. Als sie erfuhren, dass ich mittlerweile über 2800 km hinter mir gelassen hatte, waren sie sehr verwundert und gratulierten mir zu meiner Leistung.

Als ich mein Trinken ausgetrunken und eine Unterkunft gefunden hatte, machte ich mich auf den Weg dorthin. Dort nahm ich dann eine Dusche, wusch meine Kleider und ruhte mich ein bisschen aus. Dann ging ich zum Abendessen in eine Pizzeria im Ort. Am späteren Abend kehrte ich dann in die Pilgerunterkunft zurück.
Heute war ich mit 5 Pilgerinnen und Pilgern aus Brasilien in einem Zimmer untergebracht. Sie fragten mich direkt, ob es für mich in Ordnung sei, wenn sie morgen früh um 6 Uhr das Licht anmachen würden. Sie wollten frühzeitig los, um rechtzeitig für die 12 Uhr Messe in Santiago zu sein. Obwohl sie kein Englisch konnten und ich dem Portugiesischen auch nicht mächtig bin, konnten wir uns doch verständigen und ich entschloss mich dazu, es ihnen einfach gleichzumachen. Pünktlich um 22 Uhr wurde daher das Licht ausgemacht, damit wir morgen alle fit für die letzte Etappe sind.
Tag 110 – O Pedrouzo bis Santiago de Compostela (20,3 km) – Mittwoch 18.10.2023
Um 6 Uhr ging also heute der Wecker und alle waren direkt dabei ihre Sachen einzupacken. In der Küche des Hauses herrschte auch schon ein reges Treiben und alle aßen schnell eine Kleinigkeit, um dann auch direkt loszukommen. Ich aß schnell eine Tasse mit Müsli und trank dazu einen Kaffee. Meine brasilianischen Zimmergenossen gaben mir noch ein abgekochtes Ei als Stärkung für den heutigen Tag und dann machte auch ich mich auf den Weg.
Aufgrund der frühen Stunde war es noch stockdunkel und als der Weg dann in den Wald abbog, packte auch ich meine Stirnlampe aus. Ich lief also wie viele andere Pilger auch mit der Lampe auf dem Kopf durch die Gegend und irgendwie wirkte es ganz witzig, die vielen kleinen Lichter im Wald zu sehen. Immer wieder überholte ich Pilger, welche richtige Scheinwerfer dabeihatten, mit denen sie eine ganze Straße hätten beleuchten können. Dagegen wirkte meine kleine Stirnlampe fast ein bisschen klein, aber sie erfüllte ihren Zweck ganz gut. Da ich außer dem Weg nicht viel sehen konnte, bekam ich von der Landschaft leider nicht viel mit.
Nach 10 Kilometern kehrte ich in das erste Café auf dem Weg ein und kaufte mir dort einen Kaffee. Da hier anscheinend alle Pilger ihre erste Pause einlegten, trank ich schnell aus und ging direkt weiter. Mittlerweile war es zwar immer noch ein bisschen dunkel, aber immerhin hell genug, um auch ohne Stirnlampe laufen zu können. Leider setze aber genau jetzt der Regen ein und schnell war ich wieder komplett durchnässt und bei 15 Grad Außentemperatur war das nicht unbedingt angenehm. Da ich aber schon bald weniger als 10 Kilometer zu laufen hatte, machte mir das nicht viel aus.


Als ich dann endlich an den Stadtrand von Santiago de Compostela kam, hörte der Regen auch allmählich auf. Nach ziemlich genau 20 km war es dann endlich so weit. Ich erreichte nach insgesamt über 2800 km mein langersehntes Ziel, die Kathedrale von Santiago de Compostela. Ich lief auf den großen Platz vor der Kathedrale und schaute mir das schöne Gebäude einige Minuten an. Andere Pilger gratulierten mir und ich gratulierte ihnen. Man merkte, wie sich viele Pilger richtig freuten, endlich am Ziel angekommen zu sein. Zwar freute auch ich mich darüber, jedoch war meine Freude anscheinend nicht ganz so groß, wie bei einigen anderen Leuten.




Mit einem Pilger, der so freundlich war ein Bild von mir zu machen, unterhielt ich mich ein paar Minuten. Es war interessant zu hören, dass auch bei ihm die ganz große Freude ausblieb. Für ihn war eher der Weg das Ziel und das würde es bei mir vielleicht auch ganz passend beschreiben. So hatte ich in den letzten Wochen und Monaten doch so viele tolle Begegnungen und Momente erlebt, dass ich diesen Moment nicht zu viel Bedeutung gab.

Als es dann kurz vor 12 Uhr war, verabschiedete ich mich von ihm und ging in die Kathedrale, um dort die Messe zu besuchen. Da ich mal wieder kurz vor knapp das Gotteshaus betrat, bekam ich keinen Sitzplatz mehr und musste in den hinteren Reihen stehen. So wie mir ging es aber vielen anderen Pilgern auch und die Kathedrale war bald komplett gefüllt. Da die Messe selbst auf Spanisch war, verstand ich leider nicht viel. Aber der Gesang war in den großen Hallen doch sehr beeindruckend und als dann zum Abschluss der Messe noch das bekannte Weihrauchfass geschwenkt wurde, kam auch bei mir ein bisschen mehr Freude über das Erreichen meines Zieles auf. Angetrieben von fünf Männern, rauschte das riesige Weihrauchfass durch die Kathedrale und nebelte das Gebäude regelrecht ein. Dazu erklang die festliche Melodie der Orgel und so wurde das ganze doch noch zu einem echten Erlebnis. Bei dem vielen Weihrauch musste ich doch direkt an meine Zeit als Messdiener zurückdenken, in der ich es mit dem Weihrauch auch das ein oder andere Mal übertrieben hatte. Man möchte sich gar nicht vorstellen, wie es bei mir mit diesen Mitteln geendet hätte.



Nach der Feier schaute ich mir noch ein bisschen die Kathedrale an.




Danach machte ich mich auf den Weg meine „Compostela“ abzuholen. Ich bekam eine Nummer wie beim Amt und durfte mich an einer Schlange anstellen. Erstaunlicherweise ging das ganze aber echt flott und bereits nach wenigen Minuten verließ ich das Gebäude wieder mit meiner „Compostela“ und einer weiteren Urkunde in der Hand. Somit hatte ich also meine offizielle Bescheinigung für das Erreichen meines Zieles. Da ich vergessen hatte die aktuelle Etappe miteinzuberechnen, fehlen leider 20km auf meiner Urkunde, was aber in etwa der Strecke entspricht, die ich mit dem Boot zurücklegen musste und somit passt es für meine zu Fuß zurückgelegte Strecke. Zurück in den Gassen sah ich immer wieder viele Pilger, die diesen Moment ausgiebig feierten. Auch ich setze mich in die erstbeste Bar und gönnte mir ein Bier, während immer wieder freudige Pilger an mir vorbeiliefen.


Danach suchte ich mir ein Zimmer in einem Hotel und ruhte mich ein bisschen aus. Denn wie sich einige der Leserinnen und Leser bereits denken können, endet meine Reise hier noch nicht. So wie viele andere Pilger auch, werde ich die nächsten Tage zum Auslaufen nutzen. Dazu geht es nochmals knapp 120 Kilometer weiter über Muxia bis zum Cape Finisterre, ehe ich danach dann wahrscheinlich meine Heimreise antreten werde. Somit stand auch heute wieder Wäschewaschen auf dem Programm. Zur Feier des Tages werde ich heute Abend aber nochmal irgendwo essen gehen und mir sicher ein, zwei Bier oder ein bisschen Wein gönnen. Mal schauen, ob ich heute auch wieder einige Pilger beim Essen antreffe oder ob ich seit langem mal wieder einen entspannten Abend für mich alleine haben werde.
Einen größeren Rückblick über meine Reise werde ich dann voraussichtlich erst zu Hause schreiben.
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